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Wortschatz - Der Blog von Deutschlehrer:innen für Deutschlehrer:innen


Seit vielen Jahren sind wir im DaZ / DaF - Bereich als Lehrkräfte tätig. In unserem Blog "Wortschatz" veröffentlichen wir Informationen, Tipps und Erlebnisse. Wir wünschen Ihnen viel Spaß dabei und freuen uns über Ihr Feedback.


25.02.2024

Goodbye, deutsche Sprache!

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Anglizismen sind aus unserer Sprache nicht mehr wegzudenken. Im Deutschunterricht sind sie genauso präsent wie in den Lehrbüchern. Die Lernenden haben kein Problem mit Vokabeln wie Jeans, joggen, T-Shirt, Homepage, Ticket und so weiter. Teilweise sprechen sie selbst Englisch und kennen diese Wörter. Manche Wörter sind so international, dass es keiner Übersetzung bedarf. Sie sind gut zu verstehen, die Pluralbildung ist einfach, lediglich ein deutscher Artikel muss zugeordnet werden.

Kritiker sehen diese Entwicklung mit Argwohn. Schließlich ist Sprache Kultur und mit jedem neuen Fremdwort verschwindet ein kleines Stück dieser deutschen Sprachkultur. Deutschland hat keine Institution zur Sprachüberwachung, in Frankreich gibt es die Académie Française, die sich gegen die Verfremdung der Muttersprache engagiert. Ich denke auch an die vielen älteren Menschen in unserem Land, die oft hilflos die Beschriftungen in der Stadt entdecken. Was ist „SALES“ oder ein „Kaffeetogo“? Bitte lesen Sie die fett markierten Wörter einmal ohne Englischkenntnisse, also Deutsch. Dann klingt das schon etwas lustig. Die Kinder und Enkel müssen übersetzen.

Gern möchte ich meinen Lernenden das Phänomen erklären, weshalb unsere schöne deutsche Sprache so verfremdet wird. Vier Gründe sind für mich dabei interessant.

Erstens: Manche Historiker sehen diese Sprachentwicklung in der Besatzungszeit von 1945 bis 1990 begründet. Die Alliierten haben nicht nur ihr Essen und Trinken mitgebracht, sondern auch ihre Sprache. So sprechen wir selbstverständlich nicht nur englische Wörter, sondern auch französische Begriffe (Boutique, Croissant). In der ehemaligen DDR sind russische Vokabeln völlig normal (Subbotnik, Datsche). Diese Sprachentwicklung kennen wir so auch in den ehemaligen Kolonialstaaten. Die Sprache der damaligen Besatzer ist heute noch sehr präsent.

Zweitens: Einen geschichtlichen Hintergrund hat die Entwicklung von Wirtschafts- und Berufszweigen. Die Sprache der Vorläufer, Entdecker und Macher wurde einfach übernommen, ohne dass es oft keine deutsche Übersetzung dafür gibt. Die Computerwelt ist voll mit englischen (amerikanischen) Vokabeln (Motherboard, Homepage, Laptop). Nicht mehr wegzudenken sind die französischen Wörter aus den Bereichen Mode (Haute Couture, Accessoires) oder Gastronomie (Chef de Cuisine, Etagere, Baiser). Italienisch sprechen wir im Bank- und Finanzwesen (Indossament, Saldo, Skonto). Die Berufssprache hat ihre eigenen Präferenzen, wir kennen das aus der Medizin und Biologie (Latein).

Drittens: Eine besondere Rolle für die Sprachentwicklung hat die Musik. Wenn man nicht gerade einen Schlagersender hört, spielt das Radio meist englische Titel. Seit den 50er Jahren ist das immer mehr geworden. Mittlerweile sind deutsche Hits aus der Pop-, Rock-, Hip-Hop- und Rap-Szene sehr erfolgreich. Eine weltweite Dominanz werden sie jedoch kaum erleben.

Viertens: Vielleicht liegt es aber auch nur an den für heute so wichtigen Werten wie Weltoffenheit und Vielfalt. Die Menschen reisen überall hin, die Unternehmen agieren global. Die Welt wird immer kleiner und die Sprachen wachsen zusammen. Dann stellt sich die Frage, ob auch deutsche Wörter ihren weltweiten Siegeszug angetreten haben. Hier musste ich selbst erst einmal im Internet recherchieren und fand die Wörter Kummerspeck, Schnapsidee, Scheinheilig, Torschlusspanik und Fingerspitzengefühl. Da ist noch eine Menge Handlungsbedarf.

Die deutsche Sprache soll international wirken. Da wird schnell mal das Wort „Hand“ mit einem Y ergänzt, der Vokal wird zum Umlaut und wir sprechen „Händie“. Dieses Wort klingt sehr Englisch, doch im englischen Sprachraum kennt man das Handy eher nicht. Noch ein Trick: Deutsche Wörter werden mit englischen Wörtern gemischt. Das sogenannte „Denglisch“ finden wir mittlerweile überall.

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Im Zentrum von Schwerin gibt es zwei Geschäfte, in denen man Brot, Brötchen und Kuchen kaufen kann. Diese Artikel werden gebacken, so lässt sich der Name dieser Filialkette „Back-Factory“ gut ableiten. Factory steht für das englische Wort Fabrik. Stellen Sie sich jetzt die englische Touristengruppe vor, die durch die Stadt spaziert. Sie liest das Wort etwas anders. „Back“ spricht man in ihrer Heimat „bäck“ und so lächeln die englischen Menschen über uns Deutsche, weil sie den Mann schon sagen hören: „Schatz, ich gehe mal schnell zur Zurück-Fabrik Brötchen holen.“

Ich freue mich schon auf die enttäuschten Gesichter dieser Gruppe, wenn sie dann in den „Angel-Shop“ gehen, und nicht das bekommen, was sie vielleicht erwartet haben.

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Wie sind Ihre Erfahrungen mit Anglizismen und Fremdwörtern? Schreiben Sie gern etwas in den Kommentaren.
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Ulf_Mittelstaedt - 12:32 @ Deutschunterricht | Kommentar hinzufügen